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Der Tierarzt und das liebe BARF – Hundefutter im Laufe der Evolution

Nicht nur BARFer, auch andere Rohfütterer oder Besitzer, die für ihren Hund kochen, sehen sich beim Tierarztbesuch häufig mit der Aussage konfrontiert, die einzig wahre Fütterungsart sei Fertigfutter. Man hat schließlich keinen Wolf zuhause, sondern einen Hund und der sollte, wie es seit den 70er Jahren üblich ist, mit Hundefutter ernährt werden. Am besten mit Trockenfutter, denn das sei besonders einfach in der Handhabung, bedarfsdeckend, ökonomisch und ökologisch sinnvoll. Außerdem hätten sich Hunde ja darauf angepasst, die Reste der humanen Ernährung zu essen und die bestehen auch aus einem großen Anteil von Kohlenhydraten. Und zu guter letzt: Seit Einführung des industriellen Hundefutters ist schließlich die Lebenserwartung deutlich gestiegen und etliche Erkrankungen sehen wir gar nicht mehr.

Menschen, die das Futter für ihre Vierbeiner selbstzubereiten, halten dem häufig entgegen, dass sich doch der Verdauungstrakt des Hundes im Laufe der Evolution kaum geändert habe und der sei ja wohl nach wie vor auf die Verdauung von Fleisch ausgelegt. Außerdem ziehen Hunde hauptsächlich ihre Energie aus Fett.

In diesen und folgenden Blogartikeln will ich näher betrachten wie sich das Hundefutter entwickelt hat, wie der Verdauungstrakt des Hundes aufgebaut ist, ob eine adäquate Nährstoffversorgung mit BARF möglich ist, wie die hygienische Beschaffenheit des Futters zu beurteilen ist und warum manche Tierärzte schon beim Wort BARF eben jenes am liebsten machen würden*.

Aufgrund dieser Positionen entsteht häufig eine hitzige Diskussion, in der gern vergessen wird, dass beide Parteien, Besitzer genau wie der Tierarzt, nur das Beste für den Patienten wollen: Ein langes, gesundes und beschwerdefreies Leben.

*to barf bedeutet im umgangssprachlichen Englisch kotzen

Der mit dem Menschen tanzt

Wann sich Wölfe dem Menschen angeschlossen haben und wie lang die Phase der Domestikation genau dauerte, darüber findet man unterschiedliche Angaben. Sie reichen von 100000 Jahre bis zu 12000 Jahre v.u.Z. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen.

Warum sich Wölfe dem Menschen genähert haben und warum die Menschen die Tiere akzeptiert haben, kann natürlich nur hypothetisch beantwortet werden, da wir weder die Wölfe noch die Menschen von damals fragen können. In der Natur erfolgen Zusammenschlüsse zweier Arten aber immer im Rahmen einer Win-Win Situation.

Beim Wolf wird es sich wahrscheinlich so verhalten haben, dass er einfach zu erbeutendes Essen beim Menschen gefunden hatte und der Mensch hatte einen geschickten Jagdgefährten gefunden und vielleicht jemanden, der sein Eigentum hatte verteidigen können.

Unklar bleibt auch, ob sich wirklich erwachsene Wölfe dem Menschen angeschlossen haben oder ob Menschen Wolfswelpen aufgezogen und so domestiziert haben. Bewiesen werden konnte allerdings, dass die Domestikation an mehreren Orten auf der Welt in etwa zeitgleich und unabhängig voneinander stattgefunden hatte. Tatsache ist auch, dass es mit der Domestikation zu morphologischen und genetischen Veränderungen kam. Wovon ebenfalls auszugehen ist, dass die früheren Menschen, den Wolf bzw. dann Hund mit ihren Resten gefüttert hatten. Von den tierischen Produkten dürften das allem voran Knochen mit Fleischresten, (Teile von) Innereien und Fett gewesen sein. Hinzu kamen sicherlich auch Reste vom Ackerbau bei Völkern, die diesen betrieben hatten. Daneben wurden bestimmt auch Hunde für die Tötung von Raubzeug oder Schadnagern eingesetzt. Man kann wohl davon ausgehen, dass diese dann auch gefressen werden durften.

Natürlich sind diese Angaben spekulativ, aber man sollte die damalige Ernährung realistisch betrachten: der Mensch hatte kein Essen im Überfluss, so wie es bei uns heute der Fall ist, und hat seinen tierischen Begleiter sicher nicht mit denselben wertvolleren Rohstoffen ernährt wie seinen eigenen Nachwuchs. Es ist nicht verwunderlich, dass beim Hund im Gegensatz zum Wolf ein Gen nachweisbar ist, das nötig ist zur Bildung von Amylase in der Bauchspeicheldrüse. Amylase ist ein Enzym für die Kohlenhydratverdauung.

Uneinig sind sich die Forscher darüber, ob sich nur Wölfe dem Menschen angeschlossen haben, die bereits kleine Mengen Amylase gebildet hatten und so mit der kohlenhydratreicheren Nahrung der Menschen zurechtkamen oder ob sich die Amylasebildung erst im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hatte. Tatsache hingegen ist, dass es Rasseunterschiede in der Fähigkeit zur Kohlenhydratverdauung gibt. Rassen, die von Linien abstammen, die mit Nomadenvölkern zusammen gelebt haben wie z.B. der Alaskan Malamut, können Kohlenhydrate deutlich schlechter verwerten als Rassen, deren Urahnen bei Menschen gelebt haben, die früh Ackerbau und Viehzucht betrieben haben.

Wie hat sich die Fütterung der Hunde weiterentwickelt?

Die Fütterung von Hunden in den verschiedenen Jahrhunderten ist wie zu erwarten eher schlecht dokumentiert. Bekannt ist, dass in Zeiten der Lehnsherrschaft, Hunde zur Jagd dem Lehnsherrn zur Verfügung gestellt werden mussten. Diese Hunde haben dann sogenanntes Hundebrot erhalten. Generell kann davon ausgegangen werden, dass Hunde weiterhin von den Essensresten der Menschen ernährt wurden. Ausnahme hiervon mochten vielleicht Hunde besonders wohlhabender Menschen sein.

Mit der Industrialisierung im 19.Jahrhundert und dem damit aufkommenden Wohlstand, gibt es auch die ersten Hundefutterproduktionen. Allerdings bestand auch dieses Hundefutter zu einem großen Teil aus Kohlenhydraten und generell Resten der Humanernährung.

Seit den 1970er Jahren gibt es die Tierfutterproduktion im großen Stil. Ziel war eine vollwertige Ernährung für Hunde zu schaffen, damit der beste Freund des Menschen möglichst lange und gesund lebt. Etwa zur selben Zeit ging das Interesse an den Nebenerzeugnissen der Schlachtung für den Humanverzehr zurück und die Zahl der Schlachtungen stieg ab den 1980er Jahren deutlich an. Die Basis des Hundefutters war also schnell gefunden: tierische Nebenerzeugnisse (Karkassen, Innereien, Fett, Haut) und natürlich Kohlenhydrate. Durch zugesetzte Vitamine und Mineralien wurde ein ernährungsphysiologisch adäquates Futter hergestellt.

Wenig später entstand eine Gegenbewegung: das BARFen. Ziel war, den Hund möglichst naturbelassen zu ernähren. Der entscheidende Unterschied zwischen BARF und Trockenfutter liegt auf der Hand: während Trockenfutter auf die Trockensubstanz bezogen, aus 25-60 % Kohlenhydraten besteht, enthält eine BARF Ration nur etwa 5 % Kohlenhydrate.

Bei allen Pros und Contras hat man tatsächlich einen nie gefragt, wie das Futter zusammengesetzt sein soll: den Hund selbst.

Wenn man den Hund fragt, was er fressen möchte …

Für sehr viele Tierarten gibt es Studien, was das jeweilige Tier bevorzugen würde, wenn man ihm die freie Futterwahl überlässt. Hierbei wird nicht unterschieden zwischen den bevorzugten Inhaltsstoffen, sondern der bevorzugten Zusammensetzung. Grundlegend sollte an dieser Stelle erklärt werden, dass jeder tierische Organismus Energie aus drei Quellen gewinnen kann: aus Fett, aus Protein und aus Kohlenhydraten. Im Körper werden diese Energiequellen verbrannt und produzierten so unterschiedlich viele Kalorien. Beim Verbrennen von 1 g Fett entstehen gerundet 9 kcal, bei 1 g Protein und 1 g Kohlenhydraten je 4 kcal. Bei dieser Rechnung gibt es tatsächlich keine tierartlichen Unterschiede, da die Energie auf zellulärer Ebene gewonnen wird und sich diese Stoffwechselprozesse in den Zellen zwischen den Tierarten im Wesentlichen nicht unterscheiden.

In einer Studie wurde Hunden verschiedener Rassen (von Toy- bis Riesenrasse) Futter mit verschiedenen Zusammensetzungen im Protein-, Fett- und Kohlenhydratanteil in Bezug auf die Energiegewinnung angeboten. Es zeigte sich, dass alle Hunde unabhängig von der Rasse, das Futter bevorzugten, bei dem sie 30 % der Energie aus Protein, 63 % aus Fett und 7 % aus Kohlenhydraten gewinnen konnten. Erst in einem zweiten Durchgang mit denselben Tieren, bevorzugten die Tiere ein Futter mit einem niedrigeren Fettanteil.

Wie sieht die Verteilung bei BARF im Vergleich zu Industriefutter aus?

In der folgenden Tabelle habe ich ein industrielles Trockenfutter (Alleinfuttermittel für Hunde, Economy Qualität), ein industrielles Feuchtfuttermittel (Alleinfuttermittel für Hunde, Economy Qualität), eine BARF Ration (Zusammensetzung wie im Blog Artikel „BARF ein Hund Wolf Vergleich“ beschrieben) und eine Wolfration miteinander verglichen.

* Hewson-Hughes et al., 2013

+ Bosch et al., 2015

Der Vergleich zeigt zunächst einmal, dass sich der Energiegewinn aus der Wolfration deutlich von allen Hunderationen unterscheidet. Die BARF Ration weist große Ähnlichkeit mit der von Hunden bevorzugten Zusammensetzung auf. Am ähnlichsten hierzu ist noch das Dosenalleinfuttermittel. Das Trockenfutter unterscheidet sich, wie nicht anders zu erwarten, deutlich von allen anderen Zusammensetzungen, da Trockenfutter aus produktionstechnischen Gründen einen relativ hohen Kohlenhydratanteil enthalten muss.

Welche Schlüsse kann man aus dieser Erkenntnis ziehen?

Man geht heutzutage davon aus, dass Hunde am Anfang der Domestikation allem voran mit Abfällen ernährt worden sind. Wertvolles Fleisch war da bestimmt genauso wenig an der Tagesordnung wie gehaltvolles Getreide. Es wird vermutet, dass es sich in erster Linie um (Unterhaut)fett, Knochen, Sehnen, Abschnitte von Fleisch und Innereien, sowie Gemüseresten handelte. Dies würde auch in etwa die bevorzugte Ration der Hunde in oben genannter Studie wiederspiegeln. Trockenfutter weicht grundlegend von der ursprünglichen Zusammensetzung des Hundefutters ab. Auf die genaue Beurteilung, Vor- und Nachteile von Trockenfutterfütterung will ich an dieser Stelle nicht näher eingehen. Dies wird in einem späteren Blog Artikel erörtert werden.

Rein auf die Energiegewinnung bezogen ist BARF eindeutig die Ernährungsform, die sich am meisten an die ursprüngliche Futterzusammensetzung von Hunden orientiert, allerdings nicht an der eines Wolfes.

All das sagt natürlich gar nichts über Sinn oder Unsinn von verschiedenen Fütterungsarten aus. Und ob man sich und seinen Hund nun wie in Urzeiten ernähren möchte, ist wahrscheinlich eher eine Philosophiefrage als eine der wissenschaftlich fundierten (Tier)ernährung.

Hier geht es eher um die Frage, welche Argumente man in Diskussionen ums BARFen verwendet, denn zwei Dinge sind derzeit klar:

1. Der Hund ist kein Wolf, auch nicht was sein bevorzugtes Futter angeht
2. BARFen ist keine Imitation einer Wolfsration, eher die der vermuteten Urzeitration.


Quellen

Bosch,G., Hagen-Plantinga, E.A., & Hendriks,W.H. (2015). Dietary nutrientprofiles of wild wolves: insights for optimal dog nutrition?. British Journal of Nutrition, 113(S1),S40-S54.

Hewson-Hughes, A.K., Hewson-Hughes, V.L., Colyer, A., Miller, A.T., McGrane, S.J., Hall,S.R., … & Raubenheimer, D.(2013). Geometric analysis of macronutrient selection in breeds of the domestic dog, Canis lupus familiaris. Behavioral ecology, 24(1),293-304.

Arendt, M., Cairns, K.M., Ballard, J.W.O., Savolainen, P., & Axelsson, E.(2016). Dietadaptation in dog reflects spread of prehistoric agriculture. Heredity, 117(5),301-306.

Dr. med. vet.
Stephanie Schmitt

Zusatzbezeichnung Ernährungsberatung für Kleintiere, Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik
IVAS zertifizierte Akupunkteurin

Fit mit Futter
Stephanie Schmitt
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